PferdeSport International Ausgabe 22/2017

Pferde Sport International | 22.2017 52 Service Ausbildung Fazit – Eine gute Möglichkeit, die Halsdehnung zu verbessern, ist das Neben-dem-Pferd-Hergehen einer Begleitperson – während Sie am langen Zügel Ihr Pferd im Schritt reiten. Es hilft Ihrem Pferd, sich zu dehnen, wenn die Begleitperson in den inneren Gebissring hineinfasst und Ihrem Pferd durch leichtes Spielen mit dem Gebissring das Sich-vorwärts- abwärts-Dehnen „schmackhaft“ macht. Das Pferd muss das Gebiss stets als etwas Positives annehmen, an das es sich gerne herandehnt. Je mehr sich Ihr Pferd im Hals dehnt, desto wohler fühlt es sich. Wenn Sie die Zügel verlängern, sollte sich der Hals dehnen. Dies entspricht der Natur des Pferdes. Streichen Sie über, so überprüfen Sie Ihre eigene Balance im Sattel und die Selbsthaltung und das Gleichgewicht Ihres Pferdes. In Ihrem Fall sind dies zentrale Übungen. Erst in Form gepresst, dann gedehnt Pferde, die über längere Zeit in eine be- stimmte „Form gepresst“ wurden, werden immer wieder Probleme bekommen, sich langfristig in der gewünschten Dehnungs- haltung, so wie es in den Richtlinien be- schrieben ist, zu bewegen. In bestimmten Situationen werden sie ganz automatisch in die Haltung „verfallen“, die sie unter ih- rem früheren Reiter einnehmen mussten – und dies möglicherweise vom ersten Tag ihrer Ausbildung an. Bei Pferden, die nach den Regeln der Klassischen Reitlehre ausge- bildet wurden, wird das Problem Ihres Pfer- des nicht auftreten. Doch hat ein Pferd nie- mals gelernt, sich an die Hand heranzudeh- nen, so hat es nie erfahren, wie wohltuend diese natürliche Kopf-Hals-Einstellung mit einem geöffneten Ganaschenwinkel ist. Die- sen Pferden fehlen die körperlichen Voraus- setzungen, um sich in richtiger Weise zu ba- lancieren. Sie werden immer wieder in ihre alte Verhaltensweise zurückfallen. Dies ist nicht nur ein körperliches, sondern genauso ein mentales Problem. Deshalb ist auch Ihr Problem nicht einfach zu korrigieren. Doch nichts ist vergeblich und Sie sollten nichts unversucht lassen: Nutzen Sie jede Gelegen- heit, Ihrem Pferd ein angenehmes Gefühl zu vermitteln, indem Sie seinen Hals so oft wie möglich dehnen. Dies kann beim Fertigma- chen vor dem Reiten erfolgen, dadurch dass Sie Ihr Pferd am Halfter nach vorwärts-ab- wärts dehnen lassen und es mit einem Apfel oder einer Möhre dafür belohnen. Durch dieses Sich-Dehnen wird das Nacken- band gestreckt und der Rücken, soweit dies anatomisch möglich ist, „aufgewölbt“. Die- ser Prozess wird Ihrem Pferd guttun und Ihr Pferd wird es genießen, in Dehnungshaltung stehen zu können. Haben Sie dies oft genug (und ohne Widerstand herauszufordern!) probiert, wird Ihr Pferd diese Haltung immer wieder anstreben. Dies entspricht seiner na- türlichen Haltung, was sich beim Grasen auf der Weide gut beobachten lässt. Hilfestellung vom Boden aus Ich empfehle Ihnen, vor dem eigentlichen Reiten die Übung „Abkauen-Lassen am Ge- biss“ zu praktizieren. Dafür benötigen Sie ei- nen Helfer am Boden. Dieser Helfer muss in beide Gebissringe hineinfassen und dabei das Gebiss leicht hin und her bewegen (mit dem Gebiss „spielen“), um auf diese Weise Ihrem Pferd die Dehnung nach vorwärts-ab- wärts „schmackhaft“ zu machen. Danach sollten Sie in der Schrittphase Ihrer täglichen Trainingseinheit darauf achten, dass sich Ihr Pferd weiterhin nach vorwärts- abwärts dehnt. Können Sie dies vom Sat- tel aus nicht erreichen, habe ich einen Tipp für Sie: Lassen Sie einen versierten Ausbil- der neben Ihrem Pferd hergehen. Er soll da- bei mit den Fingern in den inneren Gebiss- ring fassen. Durch gefühlvolles und leichtes Annehmen und Nachgeben kann er Ihrem Pferd über die Dehnung den Weg in die Tie- fe weisen. Wird dies über einen längeren Zeitraum konsequent praktiziert, dann haben Sie die Chance, dass sich Ihr Pferd von sich aus mehr und mehr in diese „Wellness-Haltung“ hin- eindehnt. Ihr Pferd wird sich dabei wohlfüh- len und deshalb das Vorwärts-Abwärts im- mer wieder anstreben. Besonders langwierig wird sich der Prozess des Sich-Dehnens gestalten, wenn sich das „Eng-Gehen“ manifestiert hat. Ich vermute, dass bei Ihrem Pferd dieser Zustand auf ei- ne unsachgemäße Ausbildung bereits in der Remonte-Zeit zurückzuführen ist. Wie for- muliert Major a.D. Paul Stecken: „Pferde wol- len richtig gehen“. Die Dehnungshaltung ist für die Balance des Pferdes wichtig, denn je- des Pferd hat das Bedürfnis, sich unter dem Sattel im Gleichgewicht zu bewegen. Reiten mit einer Hand Sie reiten Ihr Pferd immer wieder mit einer Hand und dabei dehnt es sich im Hals und öffnet seinen Ganaschenwinkel. Dies zeigt mir, dass Sie noch eine echte Chance haben, Ihr Pferd zu korrigieren. Die Übung „Reiten mit einer Hand“ können Sie nicht oft genug wiederholen, hilft sie Ihnen doch zudem, Ih- re Losgelassenheit und Ihr eigenes Gleichge- wicht im Sattel zu überprüfen. Oftmals rei- tet man – unbewusst! – zu viel mit dem in- neren Zügel, hält sich daran „fest“, was dazu führt, dass sich Ihr Pferd hinter dem Zügel „verkriecht“ und dadurch im Hals „aufrollt“. Insofern sind das Reiten mit beiden Zügeln in der äußeren Hand und dabei das gele- gentliche, gleichzeitige Überstreichen hilf- reich für Sie und Ihr Pferd. Besser Reiten – Von der Basisausbildung zum feinen Reiten von Christoph Hess 184 Seiten, viele farbige Fotos und Illustrationen Maße: 168 x 240 mm, kt. Broschurausgabe ISBN: 978-3-88542- 885-5

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