Fotos: Stefan Lafrentz

Deutsche Reiter führen mit neun Springfehlern Vorsprung

EM-Blog aus Blenheim | von Gabriele Pochhammer (Teil 3)

Ich kann mich nicht erinnern, dass eine deutsche Vielseitigkeitsmannschaft jemals mit so einem satten Vorsprung ins Parcoursspringen gegangen ist. Selbst wenn ein Pferd die heutige Verfassung nicht passiert hätte, würde das Streichergebnis, Libussa Lübbeke auf Caramia, den Sieg noch sichern. Mit 113,7 Punkten, nicht weniger als 37 Punkten Vorsprung, das sind neun (!) Springfehler, setzten sich die deutschen Reiter nach Dressur und Gelände bei der Europameisterschaft in Blenheim vor die Iren (150,7) und die überraschend starken Schweizer (161,3). Das hochfavorisierte britische Team ist in der Versenkung verschwunden, nachdem Teamreiterinnen Yasmin Ingham auf Rehy DJ, die Weltmeisterin von 2022, und Piggy March auf Halo, letztere ins Wasser gefallen war. Dasselbe Schicksal ereilte die beiden Einzelreiterinnen Bubby Upton auf It’s Cooley Time und Caroline Harras auf D. Day, sodass am Ende nur zwei Briten das Ziel sahen, allerdings in aussichtsreicher Position für eine Medaille, Laura Collett auf London, mit 26,6 Punkten vorläufig an der Spitze, und Tom McEwen auf JL Dublin, vorläufig auf Platz drei (33,0).

Dressursieger Michi Jung auf Chipmunk, zehn Sekunden langsamer als Collett, musste die Führung erstmal abgeben, jetzt Zweiter (28,3), „aber die Prüfung ist ja noch nicht zu Ende.“ Und wir alle hoffen natürlich, dass Laura Colletts bei der gestrigen Pressekonferenz geäußerter Wunsch „Bitte mach doch morgen einen Springfehler“ nicht in Erfüllung geht. Und ein bisschen komisch ist so ein Wunsch ja sowieso. Beide Pferde, London und Chipmunk, sind für einen Fehler gut, also bleibt es spannend bis zum letzten Kurs heute.

Annette Wyrwoll, bei ihrem ersten Einsatz als Equipechef, strahlte wie die Sonne, wenn sie denn geschienen hätte. Alle sechs deutschen Reiter kamen ohne Springfehler im Ziel, das gibt es auch nicht alle Tage. Einzelreiter Calvin Böckmann gelang auf dem anfangs sehr heftigen Phantom of the Opera die schnellste Runde des Tages, in 10,15 Sekunden, also 14 Sekunden über der Bestzeit von 10,01 Sekunden, vorläufig Platz vier. Michi Jung überschritt die Bestzeit um 25 Sekunden. „Die Zeit habe ich im Mittelteil verloren“, sagte er. „Chipmunk ist 17, da muss man so ein Pferd auch mal durchschnaufen lassen und kann nicht zu viel Druck machen.“ Nach Druck sah der Ritt auch wahrlich nicht aus, mit gespitzten Ohren flog der Dunkelbraune über den Kurs. Und natürlich konnte Michi auch als Mannschaftsreiter nicht das allerletzte Risiko eingehen, anders als Laura Collett, deren Team ja schon Geschichte war. Genauso qualitätvoll waren die Runden der beiden Mannschaftsreiter Malin Hansen-Hotopp auf Carlitos Quidditch K (41,8 Minuspunkte, Platz 7) und Jérôme Robiné auf Black Ice (43,6, Platz 8). Der ersten Mannschaftsreiterin Libussa Lübbeke auf Caramia gelang eine respektable Championatspremiere, besser als die Zeit 1,14 Minute über der Bestzeit, vermuten lässt. An Hindernis elf, zwei Ecken, musste sie sich nach einem etwas unglücklichen ersten Sprung blitzschnell umentscheiden und die Alternative wählen, danach ging alles glatt (58,3, Platz 21). Auch Einzelreiter Nico Aldinger auf Timmo erfüllte mit einer sicheren Nullrunde die Erwartungen voll und ganz (51,0, Platz 15).

Mehrfach wurden Flaggenfehler angekreidet. Man hatte den Eindruck, kaum wackelte eine Begrenzungsflagge, gab es erstmal 15 Strafpunkte. Die meisten wurden dann nach Videoinspektion wieder zurückgenommen, wie bei Michi, Calvin und dem Briten Tom McEwen. Ausschlaggebend ist, ob Schulter innerhalb des Sprunges bleibt.

„Dass es so gut läuft, habe ich mir erträumt, aber es muss ja auch erstmal auf dem Papier stehen“, sagte ein sehr erleichterter Bundestrainer Peter Thomsen. „Wir hatten vorher gewaltigen Respekt und wussten, dass man nicht zu sehr den Sekunden hinterherjagen durfte.“ Deutlicher wurde Malin: „Die Zeit ist scheißegal“, sei die letzte Anweisung der Trainer gewesen, bevor sie in die Startbox ritt. Das stimmt zwar im Allgemeinen, aber letztendlich nicht für die Führungsplätze. Die Deutschen ritten fast immer den direkten Weg, außer beim Coffin, wo die freundlichere Variante auf der linken Seite von allen gewählt wurde, die rechte mit einer trickigen Distanz zwischen Einsprung und Graben von keinem der 53 Starter, zumal sie kaum einen Zeitvorteil brachte. „Die Variante ist Mark wahrscheinlich nach dem 20. Whisky in den Sinn gekommen“, vermutete ein Insider. Über das Führungs-Trio zeigte sich Phillips nicht überrascht: „Diese drei Reiter hatten die best ausgebildeten Pferde, sie haben die besten Dressurtests geritten und sowas bewährt sich natürlich im Gelände,“ sagte er. „Vor 30 Jahren reichte es, wenn man in der Dressur am richtigen Punkt die richtige Gangart einschlug, das ist heute anders“. Und das ist doch gut so.

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