Gold fürs Team, Silber für Michi Jung, ein toller vierter Platz für Calvin Böckmann. Natürlich hätte man Michi seinen vierten EM-Titel gegönnt und wenn er enttäuscht war, dass er Laura Collett nicht mehr einholen konnte – sie hätte im Parcours mindestens einen Abwurf oder zwei Zeitfehler haben müssen – dann lächelte er das weg. Schließlich blitzt auch eine Silbermedaille ganz schön und EM-Titel hat er schon drei. Anders als Laura Collett, die zum ersten Mal ganz oben auf dem Podium stand für einen Einzeltitel. Für die Briten waren die beiden Medaillen – Tom McEwen gewann auf Dublin die Bronzemedaille – mehr als ein Trostpflaster für die Blamage im Team-Wettbewerb. Vier Britinnen, davon zwei Teamreiterinnen, waren runtergefallen, das Team im Nirwana verschwunden. Ich kann mich nicht erinnern, dass es sowas schon mal gegeben hat. „Das lehrt uns Demut“, sagte der Verbands-CEO Jim Eyre und es klang doch ein bisschen frustriert.
Auch das hat es noch nicht gegeben: dass eine deutsche Mannschaft schon mal mit neun Springfehlern Vorsprung ins letzte Springen gegangen ist. Drei davon verbrauchte die erste Teamreiterin Libussa Lübbeke, an deren Caramia die Anstrengungen der vergangenen Woche nicht spurlos vorübergegangen gibt. Platz 26 klingt schlechter als die wirklich sehr respektable Leistung der EM-Debütantin vermuten lässt. Einen Angstmoment schenkte uns Malin Hansen-Hotopp, die nach einem Abwurf von Carlitos Quidditch kurzfristig die Orientierung verlor und fast in die falsche Richtung geritten wäre. Erst das Publikum brachte sie wieder auf den rechten Pfad, wobei der Schimmel bei der sehr abrupten Wendung fast noch ausgerutscht wäre. So schnell kann’s gehen und bei einigen kam die Erinnerung an eine weit zurückliegende Pony-EM wacht. Auch damals lagen die Deutschen weit vorn und es wurde schon überlegt, in welchen Wassergraben man die Sieger werfen wollte, aber dann verritten sich die beiden Mädchen des Teams….Das war’s und alle blieben trocken.
Heute morgen um acht bei der letzten Verfassungsprüfung fröstelten die wahren Freaks an der Reling, ein übersichtliches Grüppchen von Unverwüstlichen. Es ist immer eine gute Gelegenheit, die Pferde „nackt“ zu sehen, ohne Sattel, Decke oder Reiter. Die meisten rank und schlank, ohne sichtbares Fett, frisch bis übermütig, eben Top-Sportler. Das ist doch deutlich ein anderes Bild als in früheren Jahren, als die Pferde mit Rennbahn, Wegestrecken und deutlich längerem Cross 20 Kilometer in den Knochen hatten und man ihnen die Anstrengung ansah. Beim letzten Vetcheck liegt immer diese gewisse Spannung in der Luft, erst wenn der Ruf „Passed“ durchs Mikro tönt, kann aufgeatmet werden. Aber wie schon beim ersten Vetcheck, passierten alle Pferde anstandslos, die noch dabei waren, ein Italiener hatte zurückgezogen. Kein Pferd musste in die Holding Box. Alle drei Richterinnen hatten sich schick herausgebracht, Chefrichterin Sandy Phillips im blau gemusterten Schottenrock mit passendem Hut.
Bestens drauf war Carlitos Quidditch von Malin, die mit coolen roten Ohrclips vor die Jury trat. Der Schimmel trabte hocherhobenen Hauptes die Bahn entlang und guckte königlich in die Menge. Ich glaube, wenn er einen Huf freigehabt hätte, dann hätte er huldvoll in die Menge gewinkt.
Equipechefin Annette Wyrwoll, auch sie eine Debütantin in dieser Funktion, und Bundestrainer Peter Thomsen strahlten verhalten, wollten aber auf keinen Fall schon zu sehr jubeln vor dem Springen und damit der Entscheidung. „Diese Hymne will ich am Sonntag nicht mehr hören“ hatte Annette bei der Eröffnungsfeier zu ihrem Team gesagt als die britische Nationalhymne mit Pauken und Trompeten nach der Rede des Dukes of Marlborough erklang. Musste sie dann am Sonntag doch, aber nur einmal für Laura. Es gratulierten der Duke im Strohhut und die Vertreterin des Sponsors Agria in knallblauem Gewand. Sie küsste die silbergeschmückten Iren und das französische Bronzeteam ausgiebig, die Deutschen ließ sie aus. Ich weiß nicht, ob die sehr traurig waren, hatten sie doch hektisch vor der ersten Prüfung ihre Agria-Label von den Reitjacken abtrennen müssen. Bekanntlich hatte der Sponsor der FN Knall auf Fall sein Engagement beendet, weswegen der deutsche Reiterverband jetzt hektisch auf der Suche nach einem neuen Geldgeber ist.
„Dass es so gut läuft hier in Blenheim, hatte ich mir erträumt, aber am Ende muss es ja auch auf dem Papier stehen“, sagte Peter Thomsen. „Wir hatten großen Respekt, positiven Respekt vor der Aufgabe. Aber wenn man ganz konzentriert ritt, die Zeit nicht zu sehr im Auge hielt, dann war es eigentlich nichts Besonderes.“ Das klingt ja ganz einfach. Einen besseren Auftakt ins WM-Jahr 2026 hat er sich jedenfalls kaum wünschen können.