Normalerweise sagt man zu dem, was die deutschen Buschreiter Donnerstag und Freitag hier im Park von Blenheim in der Dressur abgeliefert haben, „Auftakt nach Maß“. Mit 74,4 Prozent, 1,4 Minuspunkten Differenz, konnten sie die favorisierten Briten in Schach halten (75,8). Zu verdanken ist das nicht nur der Glanzleistung von Michi Jung und Chipmunk als letztem Mannschaftreiter mit 18,3 Minuspunkten, 2,3 Punkte vor der Britin Laura Collett auf London. Der Stadionsprecher kündigte ihn als „besten Reiter des 21. Jahrhunderts“ an und das will ja im Mutterlande der Vielseitigkeit, die hier quasi erfunden wurde, was heißen. Auch den beiden Teamreiterinnen Malin Hansen-Hotopp auf Carlitos Quidditch (27,8/6.) und Libussa Lübbeke auf Caramia (28,3/7.) gelangen hervorragende Ritte. Lediglich Jérôme Robiné musste sich bemühen, seinen etwas verspannten nervigen Black Ice unter Kontrolle zu halten, ein Wechselfehler drückte die Noten obendrein (30,4/15.).
Die Einzelreiter Nico Aldinger auf Timmo und Calvin Böckmann auf Phantom of the Opera rangieren auf den Plätzen 23 und 16. Wegen einer Hufprellung seines Pferdes im Vorfeld war Calvin nicht im Team, auch mag dem einen oder anderen Selektor das Bild vom Fünf-Sterne-Cross in Kentucky noch vor Augen sein, als Phantom of the Opera nach einem Rumpler mehrere Meter mit dem Bauch durchs Gras schlidderte, ohne dass der Reiter Anstalten machte, abzusitzen oder etwa durch ein paar Trabtritte überprüfen, ob sein Pferd klar ging. In früheren Zeiten wäre das als Husarenstück gefeiert worden, heute nicht mehr.
Jeder weiß, dass sich Samstagabend kein Mensch mehr für die Dressurergebnisse interessieren wird, die Titel und Medaillen werden im Gelände vergeben, da sind sich alle sicher. Michi Jung, der zwar überall auf der Welt geritten ist, die beiden britischen Fünf-Sterne-Events Badminton und Burghley gewonnen hat, aber noch nie in Blenheim war, findet den Kurs für eine Vier-Sterne-Prüfung „tough“, schwer. Donnerstag hatte ich die Gelegenheit, mit Kurs-Designer Mark Phillips einmal die Klippen des Kurses anzugucken. Man kann sich als Nicht-Buschexperte kaum vorstellen, wieviel Details beachtet werden müssen, bevor so eine Strecke steht. Es fing damit an, dass Mark Phillips mit seinem Aufbauer-Team erst im August ins Gelände konnte, weil noch andere Events, wie Crossfahren und „Matschwettbewerbe“ stattfanden.
Im Park des Herzogs von Marlborough ist immer was los, aus gutem Grund. Selbst His Grace, so die offizielle Anrede, braucht Geld, die derzeitige Renovierung der Fassade und des Daches wird auf schlappe zwölf Millionen Pfund veranschlagt. Es musste also schnell gehen mit dem Aufbau. Von den 31 Hindernisse mit 40 Sprüngen sind alle „gemimt“, das heißt, mit Sicherheitssystemen ausgestattet, bei denen das möglich ist, wobei es noch eine Rolle spielt, ob die Stange eher von oben angeschlagen wird oder der Stoß von vorne kommt. Wird ein Sicherheitssystem ausgelöst, kostet das elf Strafpunkte, auf diese Weise ist bekanntlich schon olympisches Gold verloren gegangen.
Phillips Maxime ist nicht neu, gilt aber noch immer: „Kind to the horse, unkind to the rider“. Will heißen, für Fehlentscheidungen des Reiters soll es zwar Strafpunkte geben, aber ohne, dass das Pferd bestraft wird. Das wird sich wohl nicht immer machen lassen, aber der Versuch ist natürlich ehrenwert. „Ich habe hier die besten Reiter der Welt“, sagte Mark, „aber auch Starter aus der Türkei und Slowakei.“ Die ja auch ankommen sollen, auch wenn sie nicht so viel Erfahrung haben. Nach einigen flotten Hochweitsprüngen am Anfang geht es in die Arena, wo vor den Augen der VIPs in schneller Folge acht Sprünge zu bewältigen sind, teilweise dicht an der Bande gebaut. „Pech für den Reiter, wenn einer der VIPs gerade die Champagnerkorken knallen lässt,“ sagt Mark. Wer hier Zeit verliert, wird es schwer haben, das wieder aufzuholen. Es folgen knifflige Aufgaben, schmale Sprünge, die nur an der hinteren Stange ausgeflaggt sind, was dem Pferd weniger seitlichen Halt gibt, oder extrem enge Ecken. Knifflig ist Sprung 17. Obwohl nicht besonders hoch schauen die Pferde tief ins Tal, wo sich ein Flüsschen schlängelt. Nichts für ängstliche Gemüter, manche Pferde könnten denken, sie müssen herunter in die Schlucht springen. Müssen sie nicht, die Landung ist nur wenig tiefer. Nach dem Wassereinsprung geht es 72 Meter durch das 25 Zentimeter hohe Wasser, auf der anderen Seite warten weitere technische Aufgaben. Mit allzu vielen Reitern in der Zeit von 10,01 Minuten rechnet Phillips nicht, „Wenn es 15 sind, dann war es zu leicht.“
Die deutschen Reiter verrieten noch nicht, wie sie es im Gelände angehen wollen. Erkenntnisse sollte ein abendlicher Meinungsaustausch bringen. Alle streben den direkten Weg an, aber die Alternativen muss jeder im Kopf haben natürlich. Wobei die leichteren Alternativen deutlich länger sind, und auch entschieden zusätzlich Kraft und Kondition fordern. Zumal die Strecke recht hügelig ist, was vielleicht Michi Jung von seinem Zuhause auf der schwäbischen Alp kennt, aber die Norddeutschen weniger. „Wir haben extra einen Hügel gemietet“, verrät Philine Ganders-Meyer, Vielseitigkeitschefin der FN und in Blenheim als FEI-Steward bei den Jungpferdeprüfungen vor Ort, und spielt damit auf eine Anhöhe bei Georgsmarienhütte, wo die Warendorfer trainieren können. Am Ende hat Mark Philipp noch einen Tipp parat: „Jeder Reiter muss sich überlegen: Wie löse ich das Puzzle für mein Pony am besten.“ Klingt ja wirklich ganz einfach.