In den Jiva Hill Stables ging es am Samstag beschaulich zu, die Pferde hatten einen ruhigen Tag, hier und da wurden noch einmal ein paar kritische Lektionen aus der Kür für heute geübt. Wir haben uns unterdessen ein wenig in Genf umgesehen, nur 20 Autominuten entfernt. Rund 230.000 Einwohner, also kleiner als zum Beispiel Kiel, aber sowas von elegant und reich. Man merkt vor allem in der Altstadt, dass hier, anders als in Kiel, nie Bomben gefallen sind. Und so gibt es dann alles zu kaufen, was das Herz begehrt, beziehungsweise die Kreditkarte hergibt. Etwa für den Hund von Welt das Luxusschlafgemach, die standesgemäßen Spielzeuge in Form von Champagnerflaschen oder Haute-Couture-Schlummerkissen.
Am Sonntag brauchen Reiter und Pferde noch mal alle Kraft für den Endspurt, die EM-Kür. Dort kann es mehrere oder keine Medaille für die Deutschen geben, je nach Tagesform von Reitern und Richtern. Schon vor dem letzten Wettbewerb kann man sagen, dass das Orga-Team von Jiva Hill Stables Gewaltiges geleistet hat. „Wenn man denkt, dass sie hier nur knapp ein Jahr zur Vorbereitung gehabt haben, dann ist das schon phantastisch“, sagte Isabell Werth. Es riss sich nämlich keiner um diese EM, die ja außerhalb Deutschlands und Hollands nicht sooo ein Publikumsmagnet ist und die Dressurszene war froh, dass sich dann doch noch jemand fand. Kleines Manko: Es gab draußen nur ein Abreiteviereck, das lediglich zehn Minuten vor der Prüfung benutzt werden durfte, das übrige Training fand in der Halle statt. Und von da außen direkt ins Prüfungsviereck war für manche Pferde nicht ideal. „Schließlich ist es ein Freiland- und kein Hallenturnier“, sagte Frederic Wandres.
Das ganze prächtige Etablissement inclusive Golfplatz und Fünf-Sterne-Hotel gehört der schwedischen Familie Lundin. Der elegante graumelierte Herr, der bei keiner Siegerehrung fehlt, ist deren Oberhaupt Jan Lundin. Wenn er nicht gerade Schleifen verteilt, macht er sich vielleicht Gedanken um den Prozess, der gegen ihn in Schweden läuft. Da geht es um Menschenrechtsverletzungen im vom Bürgerkrieg zerrissenen Sudan. Dort soll das Unternehmen mit Hilfe von Militär die „Räumung“ eines großflächigen Gebietes billigend in Kauf genommen haben, wo Lundins Company Öl nach Öl bohrte. Räumung heißt in diesem Fall, dass Dörfer zerstört und Menschen vertrieben beziehungsweise umgebracht wurden. Die holländische NGO Pax deckte den Vorgang auf. Lundin und sein Manager streiten jede Verantwortung ab, ein Urteil wird Anfang 2026 erwartet. Im schlimmsten Fall droht ihm eine lebenslange Haftstrafe, in Schweden sind das circa 20 Jahre. Wenn es denn so weit kommt und nicht wieder alles unter der Hand geregelt wird. Jedenfalls kann man verstehen, dass er die köstliche frische Luft zu Füßen des Jura-Gebirges in Jiva Hill genießt. Wer weiß, wie lange noch.
Zu den Kollegen, die man fast auf jedem größeren Turnier, vor allem bei der Dressur, trifft gehört auch der lange Niederländer Dirk Willem Rosie. Wenn er nicht gerade für „Paardenkrant“ schreibt, kümmert er sich um die Website HorseTelex, und die kennt jeder, der sich schon einmal mit der Abstammung eines Pferdes befasst hat. Bis Anno Schnuff kann man da Ahnen und Urahnen finden, Verwandtschaften aufdecken und Züchternamen erfahren. Rosie lebt mit seiner Frau in Riesenbeck und ist gerade dabei, den Busführerschein zu machen. Den braucht man, wenn man Personen befördern will und Dirk Willem, eigentlich im Ruhestand, hat ein neues Ehrenamt für sich entdeckt: Mit dem Schulbus will er die Riesenbecker Kinder in die Schule fahren und damit dem Mangel an Busfahrern ein wenig abhelfen.
Was die Abstammungen der Dressurpferde dieser EM angeht: Neun von 18 Pferden in der Kür stammen aus deutscher Zucht, die drei deutschen Finalreiter sitzen auf zwei Oldenburgern (Bluetooth und Denoix) und einem Pferd des dänischen Zuchtverbandes DWB (Wendy). Alle sind übrigens in ausländischem Besitz beziehungsweise Mitbesitz: Bluetooth gehört einer Russin, Denoix einer Amerikanerin, Wendy zur Hälfte Madeleine Winter-Schulze und zur Hälfte der Französin Bolette Wandt.